China gilt heute als der größte Rotweinmarkt der Welt. Nun wird das Land auch mehr und mehr zum Produzenten – etwa gemeinsam mit umtriebigen Österreichern. Von Gero von Randow
Langer Abgang und ein Hauch von Brombeere? Wer über Wein spricht, landet oft im Fuselbereich der Floskeln. Muss nicht sein! "Wein doch" zeigt, dass wahre Fachkenntnisse über Wein oft aus ganz einfachen Fragen erwachsen. Zum Beispiel der, ob Weißwein wirklich aus weißen Trauben gemacht wird. Oder warum Riesling überall in Deutschland anders schmeckt.
So ein riesiges Land, so viele unterschiedliche Böden und Wetterzonen. So eine alte, lange währende Geschichte. Kapital sowie Ambition sind auch vorhanden. Wann also kommen aus China große Weine?
Das fragt man sich schon lange. Meinen ersten chinesischen Wein habe ich im Chinatown von Montréal probiert, das war 1996. Einen Riesling namens Noble Dragon, und er war entsetzlich. Auch später gab es Gelegenheiten, der Frage nachzugehen, sowohl in Deutschland als auch in Taiwan und in der Volksrepublik China selbst. Spaß hat's nie gemacht.
Die herausragenden Getränke, mit weitaus mehr Finesse kultiviert als hierzulande, waren dafür die Tees. Sie demonstrierten mir jedes Mal auf atemberaubende Weise, dass die chinesische Zivilisation zu den bedeutendsten der Welt zählt. Kulinarisch, künstlerisch, philosophisch – ich könnte jetzt ins Schwärmen kommen. Aber Wein?
ist ZEIT-Redakteur im Ressort Politik und war von 2008 bis 2013 Frankreichkorrespondent der ZEIT. Er ist Mitglied von Verkostungsjurys, organisiert Weinproben, berät ein Fachgeschäft und wurde für seine Artikel über Wein mehrfach ausgezeichnet. "Guter Wein ist nicht kompliziert", sagt er, "kann aber schön komplex sein."
Unter der Adresse wein(ät)zeit(punkt)de können Sie ihm Ihre Fragen zum Wein stellen.
Allerdings tut sich da jetzt etwas. Was sich beispielsweise daran ablesen lässt, dass die ehrwürdige Revue du Vin de France mittlerweile einen chinesischen Ableger hat. Ein anderes Indiz: Seit einigen Jahren reisen chinesische Weinbaustudenten zu den besten Winzern der Welt, um von ihnen zu lernen.
Unlängst veröffentlichte die Universität von Adelaide in Australien eine Neuauflage ihrer weltweiten Weinbaustatistik. Sie zeigt, dass Chinas Rebflächen schneller wachsen als diejenigen anderer Länder. China war vor fünf Jahren bereits der viertgrößte Produzent von Cabernet Sauvignon und gilt heute außerdem als der größte Rotweinmarkt der Welt. Weißwein ist nicht so das Ding in China, der Osten bleibt rot.
Gewandelt haben sich auch die Sitten. Ich erinnere mich noch an offizielle Festessen, die durchgängig von Bambusschnaps begleitet wurden. Cognac erfüllt diese Rolle ebenfalls. Doch in den vergangenen Jahren begegnete ich immer wieder Weinfachleuten aus China, überwiegend Frauen, die sich aufregende Kombinationen von Wein und Essen einfallen ließen. Weil sie eben von beidem viel verstanden. Und in Blindproben erwiesen sie sich als dermaßen zielsicher, dass sie die arrogantesten Europäer verblüfften.
Es stimmt allerdings, dass in China das Prestige eines Weines eine bedeutendere Rolle spielt als bei uns. Flaschen dürfen, ja sollen schwergewichtig und kostbar sein, dann nämlich eignen sie sich als Geschenk. Die Nachfrage nach solchen Objekten führt immer wieder zu Fälschungen vor allem von Bordeaux-Weinen wie Château Lafite, die manchmal unfasslich plump ausfallen. Abgesehen davon finde ich die chinesische Kultur des Schenkens natürlich sehr sympathisch (ich gebe Ihnen gern meine Adresse).
Das Gewese ums Prestige wirkt sich auch auf die chinesische Weinproduktion aus. Es erklärt, weshalb sich westliche Investoren darauf verlegt haben, zusammen mit chinesischen Partnern Weine für dreistellige Dollarbeträge pro Flasche auf den Markt zu bringen.
Kürzlich zum Beispiel habe ich an drei aufeinander folgenden Tagen den 2016 Purple Air Comes from the East getrunken, einen Cabernet Sauvignon für etwa 150 Euro. Das ist der Premiumwein des Chateau Changyu-Moser XV. Der merkwürdige Name resultiert aus der Zusammenarbeit des Herstellers Changyu (gegr. 1892) mit dem umtriebigen österreichischen Winzer und Weinunternehmer Lenz Moser. Mich hat der Wein überrascht, denn bisher kannte ich aus China nur wahre Wuchtbrummen, die mit Konzentration und Power Eindruck schinden sollten. Der hier aber war frisch, machte keineswegs satt, sondern Lust auf ein zweites Glas – und überzeugte auch mit seiner verhaltenen Würze, die in einen weichen Gesamteindruck eingebettet war. Ein harmonischer Wein.
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Wer nicht gleich so viel Geld ausgeben will, kann Spaß an den anderen Roten dieses Weinguts haben, etwa am Moser Family. Würzigkeit, Frische und ein schmeichelndes, weiches Mundgefühl, das ist der durchgängig verfolgte Stil. Der preiswerte Rosé, ein Nebenprodukt der Rotweinbereitung, ist besonders zu empfehlen.
Auf dem Weingut am Rande der Wüste Gobi steht übrigens ein ganz und gar nicht chinesisch anmutendes Schloss (ich kenne es nur von Bildern). Die Herkunftsregion Ningxia wird von dem Volk der Hui bewohnt; sie sind überwiegend Muslime. Seit Jahrhunderten wird dort Wein kultiviert. Ist das unislamisch? Nein, eine Frage der Interpretation. Erheben wir ein Glas darauf.