instagram

Germany, October 2020

Bild | Endlich guter Wein aus China? by MARTIN S. LAMBECK

China ist einfach überdimensional: Niemand hat mehr Bevölkerung (1,5 Milliarden
Menschen), niemand hat größere Streitkräfte, niemand wirft mehr mit Milliarden um sich
und niemand hat einen größeren Markt für Wein in der Welt. Chinesische Weinblogger
haben zuweilen Millionen Follower! Die neu entstandene chinesische Mittelschicht und
ohnehin die chinesische Oberschicht lieben Essen und Trinken. Was nicht viel Geld kostet, kann in der Wahrnehmung der Chinesen auch nichts sein.

 

Diese Haltung schlägt sich auch beim Wein nieder. Wer was auf sich hält, serviert seinen Gästen französische Burgunder und französische Bordeaux-Spitzenweine. Das hat dazu
geführt, daß im Jahrgang 2010 plötzlich durch chinesische Kaufwut die Flasche Château Lafite in der Subskription vor Steuern 1.628 Euro kostete. Preis-Irrsinn made in China.

 

Aber auch in China selbst wird inzwischen immer mehr Wein angebaut. Der teuerste auseinem staatlich gelenkten Weingut kostet rund 400 Euro die Flasche. Merke: Für denchinesischen Geschäftsmann ist ein Wein unter 100 Euro die Flasche schlichtweg "Dreck" - egalwie gut der Stoff in Wahrheit ist. Eines der europäisch geführten Weingüter ist Château Changyu Moser XV. Dafür steht Lenz Moser mit seinem Namen, einer der echten Global Player im Weingeschäft. Der Österreicher bewirtschaftet 250 Hektar. Bis jetzt waren besonders seine kleinen Basisweine ansprechend und überzeugend. Bei den "großen" Weinen galt, was so oft für China gilt: Zu stark künstlich konzentriert, "Blockbuster"-Stil, Tannine ohne Ende - Trinken in 30 Jahren. Manch einer der Kunden ist dann schon tot

Deutsches Handwerk trifft chinesisches Kapital

Das ändert sich jetzt. Am 23. Oktober wird Lenz Moser seine neuen Weine im KaDeWe in Berlin vorstellen und einen Stilwechsel einleiten. Doch der Reihe nach. Lenz Moser stellt mir eine Flasche 2017 Château Changyu Moser Blanc de Noir, Cabernet Sauvignon hin (30 Euro pro Flasche). Der Bursche hat eine tolle Nase mit noblen Fruchtaromen. Am Gaumen grüßen Birne, Nuss und Kräuter. Ausgebaut ist der Wein in 100 Prozent neuen Barriques. Blanc de Noirs sind keine gewöhnlichen Rosées. Es handelt sich vielmehr um das weiß angepresste Lesegut für die großen, roten Kracher-Weine. Und so steht dieser Blanc de Noir als kleiner Verräter für einen entscheidenden Wechsel bei Moser: Statt der in China, Australien und den USA so beliebten künstlichen Konzentration sorgt Moser jetzt für natürliche Konzentration durch Abpressen und Verringerung der Flüssigkeit des Rotweins.
Prächtige Ernte.

 

Der rote Stoff wird damit auf natürliche Weise dicker, und bekommt noch mehr Aromen, wenn er auf der Maische gärt. Dabei zieht der Rotwein seine Tannine, seine Dichte und seine Komplexität. Der 2016 Changyu Moser Grand Vin (70 Euro pro Flasche) zeigt den neuen Weg, den Lenz Moser in China eingeschlagen hat. Moser: „Ich bin auf der Suche nach dem chinesischen Terroir.“ Das heißt: Wie muss ein Wein sein, den ich bei einer Blindprobe als "chinesisch" kennzeichnen kann? Bisher waren viele chinesische Rotweine Imitationen französischer Bordeaux-Weine oder großer Australier. Der 2016er Grand Vin besteht zu 100 Prozent aus Cabernet Sauvignon. Wir dekantieren ihn für 30 Minuten kühl in eine Karaffe und geben ihn dann in ein großes Bordeauxglas. Im Aromenspektrum entfalten sich Brombeere, Schlehe, Tabak, Salz und Röstaromen. Ganz zum Schluss zeigt sich ein süßlicher Schmelz, der nach altem Gouda als Beilage ruft. Zehn Jahre im Keller entwickeln diesen Rotwein noch  weiter.

Purple Air – „Die Abkehr vom Blockbuster-Stil“

Der eigentliche, ganz große Stilwechsel zeigt sich beim völlig neu in die Kollektion
gekommenen 2016 Purple Air. Moser sagt mir: „Das ist die Abkehr vom Blockbuster-Stil. Da steckt Herzblut drin.“ Der Purple Air kommt aus besonderen Parzellen der besten Lagen und wächst auf lehmigem Sand und Schotter. Moser hat nur 80 Prozent des Weines im neuen Holz ausgebaut. Er setzt ganz auf Trinkfluss und Eleganz. Schluss mit den Wuchtbrummen. Nach dem Dekantieren kommt auch hier das große Bordeaux-Glas. Die Nase des Purple Air ist elegant und frisch. Der Wein zeigt im Aromenspektrum Holunder, Schlehe und Schokolade sowie einen angenehmen Hauch von Gruft. Gleich kommt der Vampir um die Ecke. Fazit: Ein neuer, wirklich vielversprechender Stil aus China. Der Preis sind 150 Euro pro Flasche. Für uns
Europäer ist das purer Luxus. Für den chinesischen Geschäftsmann ist dies im Vergleich zu Konkurrenzweinen günstig. China hat andere Dimensionen.

Read More